In 10 Schritten zu geschärften Sinnen

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Naturvölker nehmen Veränderungen ihrer Umgebung sofort wahr. Wir haben das verlernt. Bau ein Sinnes-Training in deinen Alltag ein: So gehst du bewusster durchs Leben. Und du kriegst ein schärferes Gespür für die Natur.

Bewusste Zeit in und mit der Natur tut unserem Geist gut.
Sie hilft uns aber auch, die Bergumgebung genauer wahrzunehmen und
Veränderungen zu erfassen.

Wir haben es verlernt, auf die Natur zu hören

Völker, welche viel Zeit in und mit der Natur verbringen,
haben die Fähigkeit beibehalten, die Natur zu "lesen" und dabei
Gefahren oder Möglichkeiten zu erkennen.

Wenn zum Beispiel die Vögel plötzlich aufhören zu singen,
ist es gut möglich, dass irgendeine Gefahr im Anzug ist. Wenn der Wind
plötzlich von einer anderen Seite kommt, kann dies einen Wetterwechsel
bedeuten.

Viele dieser Dinge nehmen wir vielleicht unbewusst wahr. Durch
die viele Zeit in Gebäuden sind unsere Sinne für diese Veränderungen jedoch
nicht geschärft und wir können sie nicht deuten.

Muss das so sein?

Nicht unbedingt: Die bewusste Wahrnehmung seiner Umgebung
lernt man nicht von heute auf morgen. Man kann sie aber trainieren.

Eine Möglichkeit, das zu tun, ist dieses Training für eine
bessere Wahrnehmung in der Natur.

In 10 Schritten zu geschärften Sinnen

Setze oder stelle dich an einen Ort und versuche dich ganz
gezielt auf deine Sinne zu konzentrieren.

Du kannst das so lange machen, wie du möchtest, oder dir
einen Timer stellen, wenn du gerne einen zeitlichen Rahmen hast.

  • Ankommen:
    Nimm einige bewusste Atemzüge. Werde dir bewusst, wie du sitzt, stehst und
    versuche voll im Moment zu sein. Wenn Gedanken kommen, ist das in Ordnung.
    Nehme sie wahr und lasse sie weiterziehen (wie eine Wolke am Himmel oder ein
    Blatt auf einem Fluss).

  • Sehen: Was
    siehst du vor und um dich? Welche Farben überwiegen? Was fällt auf? Welche
    Details kannst du ausmachen? Worauf fällt dein Blick zuerst? Was gerät eher in
    den Hintergrund? Wenn du schon mal hier warst: Was ist anders als beim letzten Mal?
    Welchen Gesamteindruck hast du?
  • Hören:
    Konzentriere dich voll und ganz auf die Geräusche in deiner Umgebung. Du
    kannst das mit geschlossenen Augen machen oder einfach ins Leere blicken. Was
    hörst du? Aus welcher Richtung kommen die Geräusche und welchen Ursprung haben
    sie? Verändern sie sich? Sind sie anders als beim letzten Besuch hier?

  • Riechen: Setze
    deinen Fokus voll auf deinen Geruchssinn. Was riechst du? An was erinnert dich
    dieser Geruch? Woher kommt er? Ist er anders als beim letzten Besuch?

  • Tasten/Fühlen:
    Wie fühlt sich der Boden unter deinen Füssen an? Spürst du den Wind auf
    deiner Haut? Die Sonne oder die Kälte im Gesicht? Ist es heute windig? Und wenn
    ja: Woher kommt der Wind? Wie stark ist er?

  • Schmecken:
    Baue deinen Pausensnack gleich in diese Übung ein. Wie schmeckt das Wasser
    aus deiner Campingflasche? Was überrascht dich an einem Bissen von deinem
    Käsesandwich? Welche Textur hat es? Was schmeckst du? Schmeckt das Essen hier
    anders als zu Hause?

  • Intuition:
    Konzentriere dich bewusst darauf, wie du dich an diesem Ort fühlst. Fühlst
    du dich sicher? Beobachtet? Frei? Wie war es an anderen Orten? Und an anderen
    Tagen? Kannst du erklären, warum? Verändert sich deine Wahrnehmung?

  • Sinnes-Mosaik:
    Nachdem du nun mit all deinen Sinnen einzeln deine Umgebung wahrgenommen hast, kannst
    du versuchen, alle deine Sinne zu öffnen. Was nimmst du nun wahr? Ist es mehr
    als zuvor? Wie fühlst du dich jetzt? Was hast du heute über dich und deine
    Umgebung gelernt?

  • Geniessen:
    Bei aller Konzentration und Beobachtungsschulung soll die Freude nicht zu
    kurz kommen. Lasse deshalb deinen Fokus los und deinem Geist freien Lauf.
    Geniesse den Moment. Denke, woran auch immer du willst.

  • Weitergehen: Wenn du genug davon hast,
    nimmst du nochmals einige bewusste Atemzüge und öffnest die Augen (falls du
    diese noch geschlossen hattest) und setzt deine Wanderung, deinen Lauf oder
    vielleicht auch einfach deinen Büroalltag fort.

Sinnestraining in den Alltag einbauen

Ich versuche, auf jeder meiner morgendlichen Joggingrunden
eine kurze Sinnes-Session einzulegen. Immer am selben Ort und ohne den
Geschmackssinn. Ich merke, dass ich seither auch sonst mit offeneren Sinnen
durchs Leben gehe.

Gedankenstütze für unterwegs

Vielleicht fällt es dir auf Anhieb schwer, dir die 10
Schritte zu merken. Es ist auch nicht nötig, dass du im Detail so vorgehst.
Versuch einfach mal, im Alltag bewusst innezuhalten und deine Sinne zu
schärfen.

Und wenn du deine nächste Wanderung planst: Vielleicht
willst du diesen Artikel ausdrucken und mitnehmen?

Gefahren und Möglichkeiten erkennen

Was haben diese Dinge gemeinsam?

  • Das Wumm-Geräusch auf einer Skitour (das
    entsteht, wenn die Schneedecke bricht und zu stark erhöhter Vorsicht vor
    Lawinen ruft).
  • Die Atmosphäre an einem Bahnhof oder in einer
    Runde mit Freunden.
  • Der Geruch von Granit auf einer Mehrseillängen-Kletterroute
    (ich finde, Granit riecht wirklich speziell, nicht?).
  • Die Form von Schneekristallen auf den
    Handschuhen.
  • Oder ein ganz bewusst gekosteter
    Orangen-Schnitz.

Wir nehmen sie nur dann bewusst wahr, wenn wir mit
geschärften Sinnen durchs Leben gehen!

Der Fokus auf den Moment hilft uns einerseits, potentielle
Gefahren und Möglichkeiten zu erkennen.

Aber auch, den Moment und all die schönen kleinen Dinge um uns
wahrzunehmen und uns daran zu freuen.